Mission

Die Bundesrepublik Deutschland wurde 1949 als strikt repräsentativ verfasste parlamentarische Demokratie gegründet. Die Mitwirkung der Bürger bei der politischen Willensbildung vollzieht sich im Wesentlichen auf dem Wege ihrer Stimmabgabe bei Wahlen. Die höchsten wissenschaftlichen Standards verpflichtete, an den Zielen der Beschreibung und theoriegeleiteten Erklärung orientierte Analyse des Verhaltens der Wähler und seiner Hintergründe ist infolgedessen ein zentraler Beitrag zur praktischen Demokratieforschung. Die empirische Wahlforschung liefert unverzichtbare Erkenntnisse über die Grundlagen der Legitimation des demokratischen politischen Systems, seiner Funktionsmechanismen und seiner Leistungen.

Die deutsche empirische Wahlforschung hat in den vergangenen Jahrzehnten eine Fülle wichtiger Erkenntnisse zusammen getragen. Als Subdisziplin der Politikwissenschaft hat sie theoretisch und methodisch einen außerordentlich hohen Stand erreicht und erfreut sich hohen internationalen Ansehens. Gleichwohl leidet die empirische Wahlforschung in Deutschland an einem Forschungsdesiderat von strategischer Bedeutung – dem Fehlen einer fest verankerten, auf Dauer finanzierten Deutschen Nationalen Wahlstudie. Einstellungen und Verhalten der Wähler bei Bundestagswahlen werden seit Jahrzehnten auf hohem Niveau analysiert, aber sowohl in wissenschaftlicher als auch in organisatorischer und personeller Hinsicht tragen diese Studien ausgesprochenen ad hoc-Charakter. Dies führt in verschiedener Hinsicht zu gravierenden Nachteilen:

  • Dass bei einer anstehenden Bundestagswahl überhaupt eine Wahlstudie durchgeführt werden kann, ist nicht gesichert. Stets besteht das Risiko, dass es nicht gelingt, eine solche Studie zu realisieren.
  • Da Wahlstudien jeweils ad hoc von wechselnden Forschern realisiert werden, sind die gewonnen Daten kaum über die Zeit vergleichbar. Die Dauerbeobachtung gesellschaftlich-politischer Prozesse wird dadurch massiv erschwert.
  • Um vollen Ertrag zu bringen, müssten Wahlstudien der gesamten wissenschaftlichen Gemeinschaft, aber auch Interessenten aus Politik und Medien zeitnah für eigene Auswertungen zur Verfügung stehen. Derzeit verbleiben die Daten jedoch in der Regel lange unter der Kontrolle der beteiligten Forscher.
  • Die Gestaltung von Wahlstudien unterliegt derzeit der vollständigen Kontrolle weniger, mittelbar beteiligter Forscher. Es besteht keine Offenheit für Impulse aus der weiteren wissenschaftlichen Gemeinschaft. Innovationspotenziale bleiben daher ungenutzt.

Nur eine institutionalisierte Deutsche Nationale Wahlstudie im Sinne eines von der gesamten deutschen akademischen Wahlforschung verantworteten, organisatorisch abgestützten und finanziell abgesicherten langfristigen Forschungsprogramms, das garantiert, dass zu jeder Bundestagswahl verlässlich eine Wahlstudie von hoher theoretischer und methodischer Qualität mit gesicherter Vergleichbarkeit zu früheren und nachfolgenden Studien realisiert wird, deren Daten rasch allen Interessenten zugänglich gemacht werden, kann diese Nachteile beseitigen. Solche Forschungsprogramme existieren bereits in vielen anderen Demokratien der Welt.

Im Januar 2007 begannen die deutschen akademischen Wahlforscher eine Initiative mit dem Ziel, auch in Deutschland eine Nationale Wahlstudie (German Election Study) ins Leben zu rufen. Die Deutsche Gesellschaft für Wahlforschung (DGfW) wurde als Selbstorganisation der deutschen akademischen Wahlforscher am 12. Juli 2007 formell gegründet. Eintragung ins Vereinsregister und Anerkennung der Gemeinnützigkeit sind beantragt. Die DGfW hat das Ziel, bereits zur nächsten Bundestagswahl, die voraussichtlich im Herbst 2009 stattfinden wird, die erste Erhebung im Rahmen dieses neuen, institutionalisierten Forschungsverbundes zu realisieren. Damit soll der Grundstein einer Infrastruktur für die empirische Politikforschung gelegt werden, die dauerhaft und in hoher Qualität gewährleistet, dass sowohl die Besonderheiten einzelner Wahlen als auch ihre Einbettung in langfristige Trends des politischen Verhaltens verlässlich und auf dem aktuellen Stand der Theorie- und Methodenentwicklung analysiert werden. Die Initiative kooperiert mit vergleichbaren Forschungsprogrammen in anderen Demokratien. Die Deutsche Nationale Wahlstudie wird so zum festen Bestandteil einer weltweiten Architektur nationaler, aber auch international vergleichender Wahlstudien.